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Marieluise Gallinat-Schneider

Gemeindereferentin in Bruchsal

Predigten von Marieluise Gallinat-Schneider

Impuls zum Friedensgebet am 3. April 2022 in der Hofkirche Bruchsal

Meinen Frieden gebe ich euch

Letzthin erzählte meine Tochter mir, dass sie es als kleines Mädchen gruselig fand, wenn es im Gute Nacht Lied „Guten Abend, gute Nacht“ heißt, „Morgen früh, wenn Gott will, wirst Du wieder geweckt“ Und was ist, wenn Gott nicht will? Was passiert dann? Das hat sie sehr beschäftigt.

Ein guter Bekannter, der lange im Orient gelebt hat, berichtete, dass es ihm nach seiner Rückkehr schwer fiel, mit unserer deutschen Planungswut klar zu kommen. Inschallah, so Gott will, ist im Islam eine häufig verwendete Redewendung. Sie drückt dasselbe aus, wie das zitierte Lied. Die Menschen im arabischen Raum würden nie sagen, morgen mache ich dies und nächstes Jahr das, ohne den Zusatz Inschallah, ohne auszudrücken, wenn Gott es so will. Die Denkweise des Spätmittelalters, die im Text des Wiegenliedes von Brahms noch durchschimmert, will besagen, unser Leben liegt nicht in unserer Hand. So wie im orientalischen Raum spricht daraus eine Demut Gott dem Schöpfer gegenüber.

Die letzten 2 Jahre haben mir deutlich gemacht, dass unser ganzes Planen zunichte gemacht werden kann. Erst kam die Pandemie und im Kalender regierten Radiergummi und Tipp-Ex, weil fast alle Termine in den Lockdowns ausfielen. Alles war plötzlich nicht mehr wichtig, Gottesdienste, Familienfeste, Sitzungen, Kulturveranstaltungen, Dinge, auf die ich mich seit Jahren gefreut hatte, fanden nicht statt. All das waren jedoch kleine Probleme angesichts der hohen Sterblichkeit und der vielen Menschen, die Angehörige verloren haben.

Dann habe ich im vergangenen Sommer erlebt, als ich meine Mutter in meiner früheren Heimat in Nordrhein-Westfalen besuchte, wie durch den anhaltenden Regen das Hochwasser kam. Stromausfall, kein Handyempfang und wir saßen im Dunkeln und wussten nicht weiter. Viele Gebäude waren zerstört oder auf Monate nicht bewohnbar, es war gespenstisch. Die Infrastruktur vieler Orte war unbrauchbar geworden. Aber auch hier ist das eigentlich ausschlaggebende das Leid, dass viele Tote im Anschluss zu betrauern waren. Wir hatten alle so etwas in Deutschland nicht für möglich gehalten, Überflutungen, ja klar, aber nicht in dem Ausmaß. Kaum jemand hatte wirklich vorgesorgt. Ja, wir Deutschen machen viele Pläne, aber keine für solche Gefahren, denn darauf waren wir trotz vieler Warnungen nicht vorbereitet. So etwas in der Form geschieht in fernen Ländern, aber nicht bei uns, davon waren wir überzeugt.

Und nun herrscht seit dem 24. Februar Krieg in Europa, in der Ukraine. Bomben fallen auf Städte, Menschen sterben, es wird von Kriegsverbrechen an Zivilisten berichtet, Menschen müssen fliehen, Gebäude, ja ganze Städte werden zerstört, die Bevölkerung flüchtet im Bombenalarm. Die Bilder machen große Angst. Niemand hat einen Krieg so nahe an EU und Nato-Gebiet für möglich gehalten. Ich leide mit und kann kaum damit umgehen, was ich im Fernsehen sehe. Außerdem stellt die Erkenntnis, dass jetzt darüber diskutiert wird, welche Waffen es braucht, um sich zu schützen, meine gesamten Ideale auf den Kopf. Ich war immer überzeugt, Frieden ist durch Diplomatie, Gespräch und Vernunft möglich. Seit ich Teenager bin, setze ich mich für Pazifismus ein.

Meine eigene Familie hat Flucht und Vertreibung erlebt, viele Ängste kommen nun hoch. Woher nehme ich die Kraft zu ermutigenden Worten?

Wie habe ich mich über den Fall des eisernen Vorhangs gefreut und sah meine Überzeugungen zur Friedensarbeit bestätigt: Und nun denkt die Regierung über die Erhöhung des Wehretats und neue Möglichkeiten der Verteidigung nach.

Die Welt steht Kopf, vieles, was ich für unmöglich hielt, ist nun real. Wie soll ich damit umgehen?

Mir fällt ein Bibelzitat aus dem Johannesevangelium ein:

Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch; nicht, wie die Welt ihn gibt, gebe ich ihn euch. Euer Herz beunruhige sich nicht und verzage nicht. (Joh 14,27)

Gott verspricht uns Frieden, aber einen Frieden, den die Welt nicht geben kann, daher muss unser Herz nicht verzagen, wir müssen nicht beunruhigt sein. Wir dürfen uns in Gottes Hand geben, so meint es auch das Lied: „wenn Gott will“ meint, darauf zu vertrauen, dass Gott es schon richtet. Dinge können zum Guten gewendet werden, aber es liegt nicht in unserer Macht. Es fällt schwer, mich in Gottes Hand fallen zu lassen, aber der Trost, dass er Frieden gibt, kann mein Herz beruhigen. So gebe ich mich in diesem Friedensgebet Gott hin, lege meine Bitten vor ihm nieder in dem Bewusstsein, er ist es, der die Dinge lenkt.

Amen.

(Marieluise Gallinat-Schneider)