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Marieluise Gallinat-Schneider

Gemeindereferentin in Bruchsal

Predigten von Marieluise Gallinat-Schneider

Predigt, Andacht zum Gräberbesuch, Allerheiligen 1. November 2020, Friedhof Bruchsal

Bibeltext

Euer Herz lasse sich nicht verwirren. Glaubt an Gott und glaubt an mich! Im Haus meines Vaters gibt es viele Wohnungen. Wenn es nicht so wäre, hätte ich euch dann gesagt: Ich gehe, um einen Platz für euch vorzubereiten? Wenn ich gegangen bin und einen Platz für euch vorbereitet habe, komme ich wieder und werde euch zu mir holen, damit auch ihr dort seid, wo ich bin. Und wohin ich gehe - den Weg dorthin kennt ihr. Thomas sagte zu ihm: Herr, wir wissen nicht, wohin du gehst. Wie können wir dann den Weg kennen?. (Joh 14, 1-5)

„Wir haben jedem Kind ein Haus gegeben,
Eines nur mit einem Blätterdach,
In das sich Mistel und Efeu weben,
In allen Wettern ein sich‘res Gefach.
Aus Flügeln, die kreiselnd zu Boden sinken
Wird neu der Ahorn in jedem Jahr,
Und Sonnenlicht wird in Tautropfen blinken,
Und Schnee wird fallen im Januar,
Ein Haus umweht von allen vier Winden,
Vom Sommer durchglüht, vom Herbstturm umtost -
Wir werden einander darin wiederfinden,
Und Freude wird da sein und Frieden und Trost.

Ich mag die Texte und Gedanken von Mey, sie rühren mich oft sehr an. Ein Haus für alle drei Kinder besingt er, eines jedoch nur mit Blätterdach, denn Sohn Maximilian ist verstorben. Ein Haus mit Blätterdach, ausgesetzt den Jahreszeiten, im Frühling knospend, im Sommer heiß, im Herbst von Stürmen geschüttelt, erst in vollen Farben leuchtend, dann fallen die Blätter ab und im Winter bietet das Dach kaum noch Schutz oder in kühlen Jahren vielleicht mit Schnee, der es bedeckt, das Grab. Schon als Kind habe ich es geliebt im Herbst über den Friedhof zu gehen, das Blätterdach auf den Gräbern war mir lieber als die akkurate Bepflanzung. Erde, Blätter, Gräser, so habe ich mir Vergänglichkeit gerne vorgestellt, verbunden mit der Natur. Bedenke Mensch, dass du Staub bist und zum Staub zurückkehrst, so heißt es am Aschermittwoch bei der Austeilung des Aschekreuzes. Damit soll uns unsere Sterblichkeit bewusst gemacht werden. Ja, von der Erde wurden wir genommen und zur Erde kehren wir zurück, in Anlehnung an Gen 3,19, Staub bist du und zum Staub kehrst du zurück". Das kann eine unheilvolle Verheißung sein, kann aber auch als Naturverbundenheit angesehen werden. Wir können es so betrachten, wir sind ein Teil der Natur und kehren zu ihr zurück. Vergänglichkeit ist ein Thema, das uns als Menschen, aber auch Tiere und Pflanzen anbetrifft. Auf dem Friedhof können wir dies mit allen Sinnen erleben. Wir sehen den Kreislauf der Natur. Dieses Jahr habe ich es noch intensiver erlebt, als sonst. Im März waren plötzlich nur noch Trauerfeiern direkt am Grab erlaubt. So stand ich hier auf dem Bruchsaler Friedhof im Frühling mit der Blütenpracht, bei der ich manchmal das Gefühl hatte, die Natur wollte alles wettmachen, was der Lockdown in uns seelisch angerichtet hat. Ich stand hier an manchem grauen Regentag, an dem das Wetter zu den Gefühlen passte und das Gesicht nicht nur von Tränen sondern auch von Regentropfen feucht wurde. Ich stand hier in Gluthitze im Sommer, wo wir versuchten, unter Bäumen Schatten zu finden und erlebe seit einiger Zeit, wie die Blätter bunt werden und nun fallen, um ein Blätterdach auf den Gräbern zu bilden. Viele von Ihnen standen auch zu einer dieser Jahreszeiten hier, weil sie liebe Angehörige verloren haben, weil sie um Menschen trauern, die Ihnen viel bedeutet haben. Heute stehen wir wieder hier im Freien, denn die Peterskirche ist aufgrund von Renovierungsarbeiten geschlossen und coronabedingt ist es ohnehin besser, sich zu dieser Andacht an der frischen Luft zu treffen, dort wo die Viren nicht so gefährlich sind.

Friedhöfe sind ein Ort der Trauer, aber auch der Verbundenheit mit unseren Familienmitgliedern und Freunden, die wir durch den Tod verloren haben. Manche Menschen suchen andere Orte für ihre Trauer und ihre Erinnerung, anderen geht es wie mir und für sie sind Friedhöfe Orte, an denen wir uns im Gedenken besonders nah und verbunden mit denen fühlen, um die wir trauern.

Ich weiß und glaube natürlich, dass unsere verstorbenen Angehörigen längst ein anderes Haus haben, so wie es der Bibeltext verheißt. Jesus ist uns vorausgegangen, um uns eine Wohnung zu bereiten, eine Wohnung in einer anderen Welt.

Reinhard Mey hofft, seinen Sohn wiederzufinden, er hofft Freude wird da sein und Frieden und Trost. Wie er dies versteht, weiß ich nicht, aber es klingt für mich so ähnlich wie der Refrain des Liedes, das NGL immer mal wieder singt:

… dann wird ein Fest sein ohne Ende, voller Lachen und Musik, voll Bewegung, voller Leben, ungezwungen und voll Glück, dann wird ein Fest sein, ohne Ende, voll von Wärme und Verstehn. Wir sind wieder uns ganz nah und wir werden Gott selbst sehn.“

Oder wie es die Offenbarung verheißt: Gott selbst ist bei ihnen
und wird abtrocknen die Tränen in ihren Augen,
und Tod wird nicht mehr sein. (Of 21)

Schöne Bilder, Bilder die Hoffnung machen. Aber es schleicht sich auch immer wieder die Frage ein, wird es wirklich alles gut werden?

Hand aufs Herz, mir geht es auch oft wie Tomas im eben gehörten Bibeltext. Natürlich weiß ich, Jesus hat verheißen, wenn wir ihm nachfolgen, werden wir auch mit in die Auferstehung hineingenommen, der Weg ist die Nachfolge. Dennoch wie wird er sein, der Platz, der mir bereitet ist, das Haus?

Oft stehe ich da mit all meinen Fragen wie ich Auferstehung und ewiges Leben wirklich fassen kann.

Es tut gut, zu wissen, dass Jesus nicht unwirsch auf Thomas reagiert hat , sondern ihm die Möglichkeit giab, ihn zu berühren, seine Zweifel zu überwinden. Auch wir sind von Jesus angenommen, trotz unserer Fragen. Auch wir dürfen wissen, es ist nicht schlimm, dass uns Zweifel kommen. So wie das Leiden und der Tod Jesu damals dem Thomas den Glauben geraubt haben, so kann es uns auch passieren. Aber wir dürfen vertrauen, dass auch wir dann von Jesus angenommen werden, mit all unseren Problemen, mit unseren Fragen und dem Hadern.

So stehen wir hier im Glauben, im Vertrauen, aber auch in Trauer und mit Fragen. All das bringen wir heute an Allerheiligen mit an die Gräber unserer Verstorbenen.

Das Haus aus Blättern gibt unseren Verstorbenen eine Ruhestätte, an der wir ihrer gedenken können, aber wir vertrauen darauf, dass sie selbst die Blätter abgeschüttelt haben, um dort anzukommen, wo es keine Trauer mehr gibt, an den Ort, von dem Gott verheißt, siehe ich mache alles neu.

So will ich schließen mit dem irischen Segen:

Der Segen der Erde,
der guten, der reichen Erde
sei für dich da!
Weich sei die Erde dir,
wenn du auf ihr ruhst,
müde am Ende eines Tages,
und leicht ruhe die Erde auf dir
am Ende des Lebens,
dass du sie schnell abschütteln kannst -
und auf und davon
auf deinem Weg zu Gott.

Amen.

(Marieluise Gallinat-Schneider)