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Marieluise Gallinat-Schneider

Gemeindereferentin in Bruchsal

Seelsorgerliche Begleitung und Präventionsarbeit von Marieluise Gallinat-Schneider

... unter die Räuber gefallen

Ein ganz wichtiger Bibeltext für die Arbeit mit Missbrauchsopfern ist neben den Psalmen auch der barmherzige Samariter im Lukasevangelium (Lk 10, 30 ff)

2007 im ökumenischen Jahresgottesdienst durften wir von Frau Dr. Haslbeck bereits davon erfahren.

Hier meine Begrüßung

"Lieben heißt, einem Menschen Scham ersparen, seinen Selbstwert und sein Vertrauen wie ein Kostbarkeit zu hüten. Vertrauen ist riskant, es gehört Mut dazu nach den zahllosen Niederlagen im Leben immer wieder neu zu vertrauen." So ein Zitat aus einem Artikel mit der Überschrift: "Worauf du dich verlassen kannst."

Liebe Gemeinde, was aber, wenn dieses Vertrauen nie aufgebaut wurde, wenn Kinder schon bei ihren Eltern nicht die Erfahrung machen dürfen, du kannst dich auf mich verlassen, es ist alles gut? Wie soll untern diesen Umständen ein Vertrauen in Gott entstehen? Zum Teil wird eine lebenslange Suche daraus in Gott und Jesus einen Verbündeten zu finden, der sich dem leidenden Menschen zuwendet, auch wenn sich alle anderen abwenden. Von den Erfahrungen des Abgewiesenwerdens werden wir im heutigen Schrifttext hören. Einer jedoch zeigt Zuwendung. Diejenigen, die sich solidarisch zeigen, verändern sich selbst. "Helfen verändert", so heißt das Thema des heutigen Jahresgottesdienst der Arbeitsgemeinschaft christlicher Gemeinden, zu dem ich Sie alle ganz herzlich begrüße.

Kinder, die Gewalt im Elternhaus erleben, Mädchen, die Missbrauchserfahrungen durchgemacht haben, haben oft das Problem, dass sie aufgrund ihrer Traumatisierung und aufgrund der Erlebnisse gar kein Grundvertrauen in andere Menschen und in Gott aufbauen können.

Diese Erfahrung habe ich von Frauen mit Gewalterfahrung oft gehört. Hier in Bruchsal haben sich Frauen zu einer Arbeits- und Selbsthilfegruppe zusammengeschlossen. Durch diese Frauen habe ich auch von Ihnen, liebe Frau Dr. Haslbeck gehört. Sie haben ihre Dissertation geschrieben zum Thema "Sexueller Missbrauch und Religiösität. Wenn Frauen das Schweigen brechen" und haben in diese Arbeit praktische Berichte von Betroffenen einfließen lassen. Berichte von Frauen, die auf der Suche sind nach Vertrauen, nach Vertrauen in Menschen, in Christinnen und Christen, Vertrauen auch in Gott. Das ist ein Thema, das uns alle angeht.

Daher freue ich mich ganz besonders, Sie, Frau Dr. Haslbeck heute als Predigerin begrüßen zu dürfen.

Die Bruchsaler Rundschau Nr. 246 vom Dienstag, 24. Oktober 2006 - Seite 14 berichtete davon wie folgt:

„Mitleid muss Folgen haben"

Jahresgottesdienst der AG christlicher Gemeinden in Bruchsal

Bruchsal (art). „Wer Gewaltopfern helfen will, muss sich von ihrem Leid berühren lassen", sagte Dr. Barbara Haslbeck von der Katholisch-theologischen Universität Passau in ihrer Predigt beim Ökumenischen Jahresgottesdienst der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Gemeinden in Bruchsal (ACG) in der Lutherkirche. „Und das Mitleiden muss Folgen haben, nämlich konkrete Hilfe", führte sie mit dem Gleichnis vom Barmherzigen Samariter weiter aus.

„Helfen verändert" war das Thema des Gottesdienstes, der von Schauspielern des Amateurtheaters „Koralle" und vom Rainbow-Gospelchor unter Leitung von Bezirkskantorin Dagmar Große mitgestaltet wurde.

Am Gottesdienst wirkten auch Gemeindereferentin Marieluise Gallinat-Schneider für die katholischen Gemeinden mit sowie Prädikantin Waltrude Blaurock von der evangelischen Kirche und Pastor Erich Heß von der evangelisch-methodistischen Kirche mit. „Wenn Jesus in dem Gleichnis einen Samariter einen Missachteten als leuchtendes Beispiel in den Mittelpunkt stellt, dann heißt das, dass er zu den Außenseitern und Verlierern steht", sagte Dr. Barbara Haslbeck.

Durch ihre Dissertation hat Dr. Haslbeck Erfahrungen mit (sexuell) misshandelten Frauen gemacht und beschrieb eindringlich deren Zwangssituation. Durch Hinsehen, Hinhören und Handeln könne den Gewaltopfern geholfen werden. „Ein solches Helfen verändert aber auch uns", sagte Haslbeck. „Es fordert uns heraus, nicht immer nur den geraden und gewohnten Weg zu gehen, sondern trotz aller Widerstände zu hoffen."

Im Anschluss an den Gottesdienst stellte sich die Predigerin im Lutherhaus noch den interessierten Fragen der Gottesdienstbesucher, die davon regen Gebrauch machten.

Unter dem gleichen Thema fand am 18. Juli 2010 im Karl-Rahner-Haus in Karlsruhe ein Gottesdienst statt:

Thema:

"... die unter die Räuber gefallen sind."

Erika Kerstner und ich wurden eingeladen, einen Gottesdienst von "Wir sind Kirche" mit zugestalten. Anhand des Evangeliums Lk 10, 35-39 haben wir uns angeschaut, wie der barmherzige Samariter mit dem Mann umgeht, der unter die Räuber gefallen ist. Der Bibeltext ist ein Text, der von Opfern spricht. Daher ist er geeignet, uns in diesem Gottesdienst die Rolle Jesu, der immer auf Seiten der Opfer stand, zu verdeutlichen. In einem Text von Pierre Stutz, der mir letzthin in die Hände fiel, las ich

...nie vergessen
die Wundmale unserer Zeit
weil das Ethos einer Gesellschaft
sich auszeichnet
im Umgang mit den Ohnmächtigsten
Denk mal
in der Solidarität mit den Schwächsten
gegenseitig Stärke entwickeln

Ja, ich denke, das ist es, eine Gesellschaft die sich dadurch auszeichnet, wie sie mit den Ohnmächtigsten umgeht, welche Solidarität mit den Schwächsten sie entwickelt. Dadurch wird eine Gesellschaft wirklich stark oder wie ein Buchtitel von Barbara Haslbeck sagt "Wer hilft, wird ein anderer". So sollte es sein. Und die Kirche versagt in dem Bereich leider momentan auf ganzer Linie. Wo sind die barmherzigen Samariter, die die nicht vorbeilaufen? Oft kommt es mir so vor, als seien wir wieder die Gesellschaft der Priester und Leviten, die wegsieht statt zu helfen. Kirche als abgeschottetes System verweigert auch die Hilfe, die Menschen sehen weg und gehen weiter, statt die, die unter die Räuber gekommen sind, mit ihrer Solidarität zu unterstützen. Ich habe letzthin in einer Predigt die Forderung gehört, wenn wir das Gleichnis Jesu wirklich begreifen, steht am Ende vielleicht mal in der Zeitung: "wir sind Samariter!"

(Marieluise Gallinat-Schneider)