Predigten aus der Praxis

Ansprachen für Sonn- und Festtage


Neujahr

 

"Eine gute Ausbildung wird immer wichtiger!"

Liebe Schwestern und Brüder,

im Zusammenhang der Verleihung des Bundesbildungspreises fiel dieser Satz. Und ich glaube jeder und jede hier wird ihn ohne Frage unterschreiben.

Wer in unserer Welt heute irgendwie bestehen will, der braucht eine gute und möglichst umfassende Ausbildung. Und dabei geht es längst nicht mehr nur um Zeugnisse oder sonstige Papiere, die man letztlich dann für irgendwelche Bewerbungen braucht. Es geht um ein profundes Wissen, ohne das man in dieser Gesellschaft einfach nicht mehr zurechtkommt.

Das kleine Einmaleins reicht schon längst nicht mehr aus. Wer sich heute behaupten möchte, der muss sich umfassend mit Computern auskennen. Und eine Fremdsprache zu beherrschen, das ist schon absolut nichts Besonderes mehr. Und wie viele ältere Arbeitnehmer müssen sich noch durch die Weiterentwicklungen der EDV quälen, um nicht aussortiert und zum alten Eisen gelegt zu werden.

Unsere Welt ist so komplex geworden, dass man ihr mit den Instrumenten des vergangenen Jahrtausends kaum noch begegnen kann.

Wenn Sie die Arbeit in unseren Gemeinden in den letzten Jahren aufmerksam verfolgt haben, dann wissen Sie, dass das auch für unseren Glauben gilt. In einer komplizierter gewordenen Welt reichen einfache Erklärungsmuster, mittelalterliche Sprachspiele und naive Deutungen schon lange nicht mehr aus, um vor den kritischen Fragen einer pluralen Gesellschaft bestehen zu können.

Und sie reichen auch nicht mehr aus, um vor mir selbst Bestand zu haben. Wenn ich die Fragen, die von außen an mich herangetragen werden, zu meinen eigenen Fragen mache, wenn ich solche Fragen zulasse, mich selbst und meinen Glauben in Frage stellen lasse, dann brauche ich Antworten, die tragen - Antworten, die heute tragen.

Viele Menschen wollen das nicht. "Lass mir meinen Glauben", heißt es dann sehr schnell. Und unangenehme Fragen kehrt man einfach ganz schnell unter den Teppich.

Das mag in vielen Fällen gut gehen, ist heute aber gefährlich. Auf diese Art sichere ich mir kein wirklich tragfähiges Fundament mehr. Nach außen hin birgt es die Gefahr, dass Religion und Glaube als unvernünftig, dümmlich und weltfremd erscheinen, und für einen selbst kann das im Extremfall bedeuten, dass mein ganzer Halt, den ich im Glauben doch zu finden hoffe, in sich zusammenfällt, wenn die Fragen, die ich zu verdrängen versuche, sich am Ende doch ganz massiv und existentiell zurück melden: Durch Schicksalsschläge, Erfahrungen und Erlebnisse oder auch nur die Lektüre des ein oder anderen Artikels in einem Magazin. Wie schnell passiert es dann, dass mein ganzes, auf einem Kinderglauben aufgebautes Glaubensgebäude wie ein Kartenhaus in sich zusammenfällt.

Ich wollte mich nie mit vereinfachenden und letztlich halbschiefen, wenn nicht gar falschen Antworten zufrieden geben. Und wir haben uns hier in den Gemeinden von Anfang an, seit Beginn unserer Zusammenarbeit, nie mit vorschnellen Antworten abgefunden. Über mehrere Jahre hinweg haben wir uns in den Glaubenskursen mit den unterschiedlichsten Aspekten unseres Glaubensbekenntnisses befasst. Wir haben uns den Fragen gestellt, was dies für unser gottesdienstliches Feiern bedeutet. Und unsere Arbeit hat zeitweise die Intensität und Qualität einer zwar kleinen, aber nicht minder regelrechten theologischen Akademie erreicht. Ich erinnere nur an die Wochenendseminare über die Entstehung des Alten und Neuen Testamentes, über die Bedeutung biblischer Texte oder die Theologie des Apostels Paulus. Ich erinnere an den großen Prozess der Auseinandersetzung mit der Botschaft der biblischen Propheten.

Und ich kann nur werben für die Spurensuche, die wir uns in den kommenden Monaten auf die Fahnen geschrieben haben: die Spuren Jesu nämlich zu suchen und uns neu aufgehen zu lassen, was er uns für heute und für unsere Zeit sagen möchte. Und darüber hinaus kann ich sie nur einladen, sich im Februar auf den Tag über das II. Vatikanische Konzil einzulassen, weil genau das richtungsweisend sein kann, wichtige Entscheidungskriterien aufzeigen kann, Kriterien, die uns helfen können, die großen Herausforderungen, die in den unmittelbar vor uns liegenden Jahren gerade hier in Bruchsal zu bewältigen sein werden, mit den richtigen Weichenstellungen anzugehen.

Um Weichen stellen zu können, brauche ich nämlich einen gewissen Überblick. Wenn ich ihn nicht habe, werden die Weichen auch gestellt, dann aber von anderen, und ob das immer zum Besten aller geschieht, das sei dahingestellt. Ich kann nur werben. Ich kann Sie nur einladen, sich mit auf den Weg zu machen, mitzumischen, wenn es um diese Weichenstellungen für die Zukunft geht. Sich aktiv einzusetzen, um die bestmöglichen Lösungen zu finden.

Nicht für mich, nicht einmal so sehr für uns - letztlich für die Zukunft unseres Glaubens in dieser Stadt.

Amen.

Download-ButtonDownload-ButtonDownload-Button(gehalten am 1. Januar 2013 in der Pauluskirche, Bruchsal)