Kleine Kirchengeschichte


Weiter-Button Zurück-Button Der Investiturstreit

Kehren wir nun wieder nach Mitteleuropa zurück und verfolgen die weiteren Ereignisse, die sich dort im 11. Jahrhundert festmachen lassen.

1. Otto der Große

Statue

Otto I. - Stifterfigur
im Dom zu Meißen.

Foto: Jörg Sieger, Juli 2019

Dazu müssen wir ein wenig zurückblicken, nämlich auf die Zeit des Kaisers Ottos d. Gr., der von 963 bis 973 n. Chr. regierte. In seiner Regierungszeit liegen nämlich die Wurzeln einer tiefen Auseinandersetzung, die die weitere Geschichte der Kirche ungeheuer beeinflussen sollte.

Otto unterstützte die Kirche in seinem Reich nämlich ungemein. Das war ja zunächst etwas Positives, aber Otto gab dieser Unterstützung letztlich eine politische Dimension. Da die Fürsten in Deutschland nämlich vor allem darauf achteten, dass niemand ihre eigene Macht beschneiden konnte, da sie also ganz stark daran interessiert waren, dass der König nicht zu mächtig wurde, konnte sich der deutsche König nicht auf die Fürsten verlassen. Er war gezwungen, andere Verbündete zu finden.

Otto suchte diese vor allem in den Bischöfen. Er stärkte die Macht der Bischöfe durch fürstliche Privilegien und königliche Rechte, ja, er verlieh sogar frei werdende Fürstentümer an einzelne Bischofsstühle und machte dadurch die Bischöfe zu Fürstbischöfen.

Das hatte folgenden Hintergedanken: Die Bischöfe waren letztlich - anders als die Fürsten mit ihrer oft recht großen Hausmacht - damals noch auf die Gunst des Königs angewiesen. Hier hatte der König demnach treue und zuverlässige Verbündete.

Zum anderen waren die Bischofsstühle ja nicht an bestimmte Familien gebunden. Der König musste nur darauf achten, dass ihm genehme Persönlichkeiten zu Bischöfen wurden und schon konnte er seinen Einflussbereich vergrößern.

Von daher war es seit Otto d. Gr. eines der größten Anliegen des deutschen Königs, Einfluss auf die Zusammensetzung des Episkopats zu erlangen. Wer in seinem Reich Bischof wurde, wollte zuallererst der König bestimmen.

2. Gregor VII.

Das brachte aber ungeheuren Sprengstoff mit sich. Mit wachsendem Machtbewusstsein des Papsttums, beanspruchte nämlich der Papst in Rom dieses Recht ebenfalls für sich. Und dementsprechend gerieten Papst und König immer wieder aneinander. Den Höhepunkt fand diese Auseinandersetzung im 11. Jahrhundert.

Damals lenkte Gregor VII. (1073-1085) die Geschicke der Kirche, einer der bedeutendsten Päpste der damaligen Zeit. Er setzte ein großartiges Reformwerk in die Tat um, das unter dem Namen gregorianische Reform in die Geschichte eingegangen ist. Neben seinem Kampf gegen die Priesterehe, ging er insbesondere gegen die Simonie, den Handel mit kirchlichen Ämtern, vor. Eines seiner Hauptziele war jedoch, die Einsetzung der Bischöfe durch die weltlichen Machthaber zu unterbinden.

In seinem berühmten "Dictatus Papae" aus dem Jahre 1075 legte er seine Grundsätze schriftlich dar. Darin führte er aus, dass der Papst allein das Haupt der Christenheit sei. Dies war nun natürlich zuerst religiös gemeint, hatte aber selbstverständlich auch politische Tragweite. Er bestritt nämlich ausdrücklich, dass die Fürsten das Recht hätten, Bischöfe einzusetzen. Daraus erwuchs der sogenannte Investiturstreit.

3. Die Auseinandersetzung mit Heinrich IV.

Burgruine

Il Castello di Canossa.

Foto: Jörg Sieger, August 2012

Der damalige deutsche Kaiser Heinrich IV., der von 1056-1106 regierte, war Gregors Gegenspieler in dieser Auseinandersetzung. Und der erste Akt dieses weitreichenden Streites endete damit, dass der Papst den Kaiser bannte.

Heinrich sah keine andere Möglichkeit, aus dieser misslichen Lage zu entkommen, als im Winter 1076/77 als Büßer über die Alpen zu ziehen und den Papst, der zu dieser Zeit in Canossa weilte, um die Vergebung der Schuld und Lossprechung zu bitten. Dies ließ dem Papst keine andere Wahl. Zähneknirschend musste er den Kaiser rehabilitieren und den Bann lösen.

Damit war der Streit aber absolut nicht beendet. Im Jahre 1080 wurde Heinrich IV. zum zweiten Mal gebannt.

4. Das Wormser Konkordat

Die Auseinandersetzung endete - bereits nach dem Tod der beiden Kontrahenten - im sogenannten Wormser Konkordat des Jahres 1122. Man schloss einen Kompromiss, der deutlich macht, dass sich das Rad der Geschichte nicht mehr zurückdrehen ließ. Dass der König die Bischöfe nach eigenem Gutdünken einsetzte, war mittlerweile zu stark in der Praxis verankert, als dass die Kirche dies noch einmal hätte rückgängig machen können.

So einigte man sich darauf, dass der König die weltliche Investitur vornehmen, der Kirche aber die geistliche Investitur vorbehalten war. Erst sollte die kirchliche Wahl durch das jeweilige Domkapitel erfolgen, worauf der Neugewählte Ring und Bischofsstab überreicht bekommen sollte, dann sollte er durch die weltliche Macht das Zepter erhalten.

Eine Lösung war dies allerdings nicht. Das Problem blieb im Grunde unverändert erhalten und sorgte bis zur Französischen Revolution und der Säkularisation im Jahre 1803 immer wieder für neuen Zündstoff. Ganz davon zu schweigen, dass das Fahrwasser, in das die Kirche durch diese Ernennung von Fürstbischöfen hineinkam, viele Schattenseiten ihrer Entwicklung erst möglich machte.

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