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Marieluise Gallinat-Schneider

Gemeindereferentin in Bruchsal

Predigten von Marieluise Gallinat-Schneider

Vorabendmesse 6. Oktober 2007, St. Paul, Bruchsal

2. Lesung

Mein Sohn! Ich rufe dir ins Gedächtnis: Entfache die Gnade Gottes wieder, die dir durch die Auflegung meiner Hände zuteil geworden ist. Denn Gott hat uns nicht einen Geist der Verzagtheit gegeben, sondern den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit. Schäme dich also nicht, dich zu unserem Herrn zu bekennen; schäme dich auch meiner nicht, der ich seinetwegen im Gefängnis bin, sondern leide mit mir für das Evangelium. Gott gibt dazu die Kraft: Halte dich an die gesunde Lehre, die du von mir gehört hast; nimm sie dir zum Vorbild, und bleibe beim Glauben und bei der Liebe, die uns in Christus Jesus geschenkt ist. Bewahre das dir anvertraute kostbare Gut durch die Kraft des Heiligen Geistes, der in uns wohnt. (2 Tim 1, 6-8.13-14)

Evangelium - Von der Macht des Glaubens:

Die Apostel baten den Herrn: Stärke unseren Glauben! Der Herr erwiderte: Wenn euer Glaube auch nur so groß wäre wie ein Senfkorn, würdet ihr zu dem Maulbeerbaum hier sagen: Heb dich samt deinen Wurzeln aus dem Boden, und verpflanz dich ins Meer!, und er würde euch gehorchen. Das Gleichnis vom unnützen Sklaven: Wenn einer von euch einen Sklaven hat, der pflügt oder das Vieh hütet, wird er etwa zu ihm, wenn er vom Feld kommt, sagen: Nimm gleich Platz zum Essen? Wird er nicht vielmehr zu ihm sagen: Mach mir etwas zu essen, gürte dich, und bediene mich; wenn ich gegessen und getrunken habe, kannst auch du essen und trinken. Bedankt er sich etwa bei dem Sklaven, weil er getan hat, was ihm befohlen wurde? So soll es auch bei euch sein: Wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen wurde, sollt ihr sagen: Wir sind unnütze Sklaven; wir haben nur unsere Schuldigkeit getan. (Lk 17,5-6)

Liebe Gemeinde,

beim Lesen des heutigen Evangeliums blieb mir vor allem ein Satz hängen, nämlich die Bitte der Jünger: "Stärke unsern Glauben". Ja, diesen Satz kann ich voll und ganz unterschreiben. Wie gerne würde ich mich vor Jesus stellen, die Hände in die Seiten stemmen und von ihm fordern: "Herr, stärke meinen Glauben".

Ich spüre immer wieder, wie kleingläubig ich in Grenzsituationen bin, wie schwer es mir dann fällt, zu glauben. Ich möchte in Schwierigkeiten so gerne vertrauensvoll beten: "So wie du es willst, wird es schon recht sein". Aber ich zweifle, ob Gott mir wirklich hilft, oder ob seine Hilfe so gegen meinen Sinn läuft, dass ich sie am liebsten ablehnen würde.

Es tut mir gut, zu wissen, dass ich damit nicht alleine bin. In letzter Zeit ging eine Meldung durch die Medien, bei der ich mich gewundert habe, dass sie für unsere Presse überhaupt der Rede wert ist: Es wurden Briefe von Mutter Theresa veröffentlicht, Briefe in denen sie über ihre Glaubenszweifel schreibt, Briefe, von denen sie nicht wollte, dass sie veröffentlicht werden. Dies sollte man eigentlich auch respektieren. Aber warum ist dies eine Nachricht wert? Weil sie eine Heilige ist und diese Menschen keine finsteren Zeiten in ihrem Glauben erfahren dürfen? Mutter Theresa sagt in einem dieser Briefe: " Ich möchte Gott so sehr lieben, wie er noch nie geliebt worden ist, aber da ist diese schreckliche Leere, dieses Gefühl der Abwesenheit Gottes" Gefühle, die ich gut kenne und die mich bei einer Frau, die ihr Leben den Armen, Ausgestoßenen und Kranken gewidmet hat, auch nicht wundern. Wie viel mehr als andere musste sie diese Leere, die Zweifel und die Frage nach dem Warum spüren - angesichts des Elends und der Hilflosigkeit mit der sie tagtäglich konfrontiert war. Ich bin sicher, auch sie hat oft den Satz des Evangeliums gebetet: "Stärke meinen Glauben".

Auch in unseren Gemeinden gibt es Menschen, die auf der Suche nach Gott und dem Glauben sind. Menschen, die Fragen haben, Menschen, die sich zu unseren Glaubensangeboten regelmäßig treffen. Es sind zugegeben kleine Gruppen, die sich dort zusammenfinden, um sich genau über diese Fragen auszutauschen, Fragen wie : "wie kann ich glauben?" "was brauche ich dazu?" "was ist mit meinen Zweifeln, Ängsten und Schwierigkeiten". Es geht dort sicher auch um den Wunsch an Jesus: "Stärke unseren Glauben", aber auch untereinander können wir uns auffordern: "stärke meinen Glauben"

Wie viel wichtiger ist das Bemühen um die Stärkung des Glaubens, als viele unserer Sitzungen. Wie viel wichtiger ist es, dieses Kerngeschäft zu betreiben, uns stets danach zu fragen, wie wir unseren Glauben stärken können, als endlose Diskussionen über bestimmte Anschaffungen zu führen.

Für die meisten Katholiken war es früher ausreichend, sonntags zur Messe zu gehen und ein Tischgebet zu verrichten, damit war dem Glauben Genüge getan. Über Glauben wurde nicht geredet, das war Privatsache, er wurde in Ritualen praktiziert.

Zum Glauben gehört aber mehr. Dazu gehört auch tägliche oder wöchentliche Übung wie beim Sport. Wie aber funktioniert Glauben? Wie kann ich selber glauben, wie ihn weitergeben? Es gibt ein Zitat von Blaise Pascal: "Le cœur a ses raisons que la raison ne connaît pas." zu deutsch : Das Herz hat seine Vernunft, die der Verstand nicht kennt. Das ist der Glaube: Gott ist mit dem Herzen fühlbar, nicht mit dem Verstand. Wie aber kann ich es schaffen, dies zu fühlen?

Ich spüre auch, dass zum Glauben ebenso gehört, dass der Kontakt zu Gott nicht abreißt. In unserem Alltag ist das oft schwer, wenn wir keine festen Zeiten für Gebet, Spiritualität, Stille, Bibellesen einplanen, wird nichts draus.

Es ist sicher je nach Typ sehr verschieden, welche Zugänge wir finden. Einer ist die Meditation:

Meditationsübungen kennen wir aus allen Kulturen, und sicherlich ist das Meditieren in einer Übungstradition sinnvoll, die sich seit Jahrhunderten bewährt hat. Aber nicht wenige Menschen haben dazu keinen Zugang. Für sie ist es sinnvoller, innezuhalten, die Natur oder ein Kunstwerk zu betrachten. Dabei ist es wichtig, alle Sinne zu erproben und zu sammeln, also etwa den Klang eines rauschenden Baches in allen Details zu vernehmen oder mit offenen Augen durch die Natur zu gehen, sich an Gottes Schöpfung zu erfreuen, an die wir heute, an Erntedank ja auch mit unseren reichen Erntealtären denken.

Ein Vorteil der Meditation ist die Öffnung des Herzens, die Suche nach Gott mit dem Herzen und weniger mit dem Verstand. Es ist ein Versuch weniger von der rationellen Seite zu kommen, als ganzheitlich mit allen Sinnen heranzugehen. Auch Stille ist eine Form des Gebetes. Für viele bedeutet meditieren, in Stille auf die Stimme Gottes zu hören. Dabei passiert es in unserem hektischen Alltag natürlich, dass in der Stille viele Stimmen auf uns niederprasseln, nur nicht Gottes Stimme. Viele Gedanken rauschen vorbei, plötzlich fällt uns ein, was wir eigentlich alles machen müssten. Es gibt Möglichkeiten, die Gedanken vorbeiziehen zu lassen, z.B. durch bestimmte Körper- oder Atemübungen.

Andere Menschen lesen jeden Tag in der Bibel. Da hat uns die evangelische Kirche mit ihren Jahres- und Tageslosungen sicher etwas voraus. Aber auch das Stundengebet kann uns einen täglichen Rhythmus vorgeben.

Ich denke, jeder und jede muss für sich ausprobieren, welche Form die richtige ist und was auch im Alltag wirklich praktizierbar ist, was reinpasst ins tägliche Leben. Dazu zählt auch, dass wir im normalen Tun innehalten und kurze Zwiesprache mit Gott halten. Dazu gehört, dass Gott jeden Tag unsere Wege mit uns geht und uns begleitet. Dabei ist es wichtig, dass wir uns dies immer wieder vergegenwärtigen.

All diese Methoden können hilfreich und dienlich sein. Voraus geht jedoch, dass ich überhaupt den Wunsch verspüre, dass mein Glauben gestärkt wird. Dass ich spüre, dass mir etwas fehlt, dass es Leere in mir, in meinem Leben gibt. Dass ich den Wunsch habe, stärker mit Gott in Kontakt zu treten. Alle Menschen haben Fragen nach dem Sinn. Die Suche nach Gott begleitet unser ganzes Leben.

Antoine de Saint-Exupéry sagte einmal : "Gib, dass ich dich erkennen lerne. Dann, Herr, wird meine Einsamkeit überstanden sein."

Es ist gut, wenn wir dieses Kennenlernen eben nicht nur alleine ausprobieren, sondern auch in Gruppen, in denen andere Menschen uns neue Impulse geben können, uns Mut machen können, etwas auszuprobieren. Und - es geht auch darum, nicht nur im stillen Kämmerlein zu glauben, sondern über den Glauben auch zu sprechen, von meinem Glauben anderen mitzuteilen.

Wenn ich Kinder und Jugendliche auf Erstkommunion und Firmung vorbereite, frage ich mich auch oft, habe ich ihnen genügend über unseren Glauben vermittelt, habe ich auch von meinem Glauben erzählt und weitergegeben? Dann ist für mich das Bild vom Samenkorn wichtig, wie es auch im heutigen Evangelium mit dem Senfkorn angesprochen wird. Mehr kann ich nicht tun, als kleine Samenkörner positiver Erfahrungen mit Kirche und damit auch mit Glauben zu vermitteln, wie viel Sonne, Pflege, Regen und Gedeihen diese Körner erhalten, liegt nicht in meiner Hand, dann kann ich nur mit dem Satz des heutigen Evangeliums sagen: "Stärke DU ihren Glauben!" Aber ich weiß auch, ich darf es mir damit nicht leicht machen, wenn ich will, dass Samenkörner gelegt werden, muss ich über meinen eigenen Glauben reden.

Eines jedoch dürfen wir bei unseren ganzen Überlegungen nicht außer Acht lassen, Gott hat uns in Jesus eine Hilfe zum Glauben gegeben. In der Lesung heißt es: "Denn Gott hat uns nicht einen Geist der Verzagtheit gegeben, sondern den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit. Schäme dich also nicht, dich zu unserem Herrn zu bekennen; ... Gott gibt dazu die Kraft. Halte dich an die gesunde Lehre, die du von mir gehört hast; nimm sie dir zum Vorbild, und bleibe beim Glauben und bei der Liebe, die uns in Christus Jesus geschenkt ist. Bewahre das dir anvertraute kostbare Gut durch die Kraft des Heiligen Geistes, der in uns wohnt."

Wenn wir uns an Jesus als Vorbild halten, uns an ihm orientieren, können wir mit der Kraft des Heiligen Geistes vielleicht kleine Glaubensschritte wagen, können wir täglich neu die Herausforderung annehmen, nach Gott zu suchen, uns vertrauensvoll an ihn wenden und zu ihm beten. Vielleicht lernen wir Gott dann wirklich näher kennen. Vielleicht kann für uns dann die Einsamkeit vorbei sein, kann eine Leere ausgefüllt sein. Und auch für uns kann dies nur mit Hilfe der Bitte des heutigen Evangeliums geschehen: " Stärke unsern Glauben!"

Amen.

(Marieluise Gallinat-Schneider)