Die Bibel

Entstehung, Gedankenwelt, Theologie ...


Weiter-ButtonZurück-Button Die Opposition gegen die historisch-kritische Erforschung des Pentateuchs, speziell gegen die Neuere Urkunden-Hypothese, in der Vergangenheit ⋅1⋅

Und auf diese Kritik möchte ich nun ein wenig genauer eingehen. Sie setzt natürlich nicht erst mit den Forschungsergebnissen Wellhausens ein.

Die Opposition gegen die literarkritische und literarhistorische Erforschung des Pentateuchs ist so alt wie diese Forschungsrichtung selbst. Schon Pastor Henning Bernhard Witter und der Oratorianer Richard Simon, der 1678 aus seiner Kongregation ausgeschlossen wurde, mussten sie erfahren.

Als Wellhausen seine Theorie vorlegte, löste sie allerdings noch einmal eine ganz besondere Welle der Kritik aus.

1. Ablehnung des Wellhausen'schen Systems bzw. der Quellenscheidung aus wissenschaftlichen Gründen

a. Versuche die Verfasserschaft des Mose zu retten

Hier sind zunächst einmal eine ganze Reihe von Einwänden zu nennen, die sich zwar wissenschaftlich nannten, aber als solche doch weniger ernst zu nehmen sind. Dies sind vor allem Einwände, die versuchten doch noch mit allen Mitteln die Lehre von der Abfassung des Pentateuchs durch Mose zu retten.

Solche pseudowissenschaftliche Versuche stammen vor allem von protestantischen und jüdischen Autoren der damaligen Zeit. Die Absicht, mit aller Gewalt die mosaische Herkunft des Gesamtpentateuchs zu retten, spricht oftmals nur allzudeutlich durch die Zeilen dieser Veröffentlichungen. All diese Versuche der Erwiderung halten daran fest, dass Mose als Verfasser oder doch als Tradent und Schöpfer der zunächst meist mündlichen Pentateuch-Traditionen zu gelten habe.

b. Wissenschaftlich ernst zu nehmende Einwände

Eine kleinere Zahl von Wissenschaftlern sticht aus dieser Masse jedoch heraus. Diese Forscher führen eine ganze Reihe Argumente an, die tatsächliche Schwächen am Wellhausen'schen System deutlich machen. Mit wissenschaftlichen Argumenten versuchen diese Forscher den Pentateuch als Gesamtwerk zu halten. Dies läuft dann meist auf Argumentationen entsprechend der Ergänzungshypothese bzw. einer Kristallisations­hypothese hinaus.

So sagt man in diesen Kreisen, dass der Pentateuch ursprünglich als einheitliches Gesamtwerk, das nicht in einzelne Quellenschichten zerlegt werden könne, existiert habe. Dieses ursprüngliche Grundwerk hätte aber später durch absichtliche und unabsichtliche Erweiterungen und Umgestaltungen Veränderungen erfahren. Diese späteren Eingriffe würden die heute spürbaren Unstimmigkeiten im Textzusammenhang erklären.

Hier sind sicherlich teilweise richtige Ansätze vorhanden. Nicht alle Fragen können mit Wellhausens Theorie tatsächlich beantwortet werden. So kommt es denn auch später zu einer Reihe von Modifizierungen des Wellhausen'schen Systems. ⋅2⋅

2. Die lange ablehnende Stellungnahme des kirchlichen Lehramtes

Auf katholischer Seite stellte sich die Kritik an der kritischen Pentateuchforschung anders dar, als im evangelischen und jüdischen Raum. Als Wellhausen sein System vorlegte, hatten sich katholische Exegeten schon seit geraumer Zeit aus der Diskussion ausgeklinkt. Dies hing vor allem mit der bremsenden Wirkung des kirchlichen Lehramtes zusammen.

a. Katholiken als Mitbegründer der kritischen Pentateuchforschung

Interessanterweise waren Katholiken am Anfang der Pentateuchforschung noch relativ stark vertreten. Die kritische Pentateuchforschung war ja, wenn wir an Richard Simon, Jean Astruc oder Alexander Geddes denken, nicht zuletzt durch Katholiken inauguriert worden.

Dieses Bild änderte sich aber spätestens um 1800. Und das hängt nun vor allem mit der Entwicklung der Auseinandersetzung um die Aufklärung zusammen.

b. Aufklärung und Deismus

Im Zuge der Aufklärung fand der Deismus schließlich immer größere Anhängerschaft: diese Vorstellung, dass ein Gott zwar die Welt geschaffen und angestoßen habe, nun aber keinerlei Einfluss mehr darauf nehme. So etwas, wie Offenbarung und damit auch Zeugnisse der Offenbarung, wie sie ja in schriftlicher Form in der Bibel vorliegen sollen, gab es nach dieser Vorstellung nicht. Sie sind genau genommen eine Unmöglichkeit.

Gerade die Ergebnisse der kritischen Pentateuchforschung wurden nun zur Begründung dieser Auffassung herangezogen. Man glaubte, mit ihnen zeigen zu können, dass die Bibel eben kein Offenbarungsbuch ist, dass sie vielmehr aus alten Überlieferungen gewachsen und dementsprechend kein Werk göttlicher Inspiration sondern ein Produkt menschlicher Autoren und Redaktoren sei.

Die Pentateuchforschung musste dementsprechend immer mehr dazu herhalten, im Sinne des offenbarungsfeindlichen Deismus, Argumente zur Erschütterung des Bibelglaubens zu liefern.

Andererseits wurde die Pentateuchforschung dadurch auch immer mehr zum Interessens- und speziellen Forschungsgebiet für dezidierte Vertreter des Deismus. Dementsprechend war es unvermeidlich, dass in immer stärkerem Maße offenbarungsfeindliche und rationalistische Prinzipien in die Forschung mit eingingen.

Musterbeispiele hierfür sind Vatke und Julius Wellhausen selbst. Ich habe auf die religionsphilosophischen Implikationen seines Systems ja bereits hingewiesen. Wellhausen versuchte schließlich zu zeigen, dass die Entwicklung des Pentateuchs gemäß den von dieser Religionsphilosophie geprägten Prinzipien - nämlich weg von archaischen polytheistischen Verhältnissen, über den Henotheismus zum Monotheismus bis hin zu einer Erstarrung in der Gesetzesreligion - verlief. Es handelt sich hierbei gleichsam um eine religiöse Evolution, die ohne jeglichen Eingriff Gottes auskommt.

Die Kirchenkritik und Kirchenfeindlichkeit Wellhausens ist in seinen Schriften denn auch an zahlreichen Stellen zu spüren.

Dies veranlasste das kirchliche Lehramt bereits sehr früh, gegen diese Forschung Stellung zu beziehen. So haben sich nur wenige katholische Forscher um die Wende des letzten Jahrhunderts an der Diskussion um den Pentateuch beteiligt.

c. Die Versuche Franz von Hummelauers und Marie-Joseph Lagranges

Unter denen, die dennoch versuchten den literarkritischen Argumenten der Wellhausen-Schule gerecht zu werden, sind vor allem Pater Franz von Hummelauer SJ ⋅3⋅ und Marie-Joseph Lagrange ⋅4⋅ zu nennen. Beide bemühten sich darum, die wissenschaftliche Arbeit am Pentateuch, ausgehend von Wellhausen und seiner Schule, in die katholische Exegese zu überführen, ohne die religionsgeschichtlichen Implikationen zu übernehmen.

Vor allem Lagrange hat stark zur endgültigen Anerkennung dieser Methoden auch im katholischen Bereich beigetragen.

Mit welchen Schwierigkeiten solches Arbeiten im katholischen Raum zunächst belastet war, zeigt das Beispiel Franz von Hummelauers. Im Jahre 1903 wurde er aufgrund seiner Verdienste um die exegetische Forschung zum Konsultor der Bibelkommission berufen. Als er 1904 in seiner Schrift "Exegetisches zur Inspirationsfrage" im Grunde genau die Wege wies, die die katholische Exegese später ausbaute, musste er nach großen Angriffen gegen seine Arbeit 1908 vorzeitig aus der exegetischen Forschung ausscheiden.

d. Die kritische Pentateuchforschung unter Modernismus-Verdacht

Diese Schwierigkeiten des kirchlichen Lehramts mit den neuen Methoden der biblischen Literarkritik wurden durch die zeitgleiche Auseinandersetzung um den sogenannten Modernismus nur noch einmal gesteigert. Hier wirkte sich besonders negativ aus, dass einige katholische Alttestamentler vom kirchlichen Lehramt mit dem Modernismus in Verbindung gebracht wurden. Vor allem Friedrich Freiherr von Hügel ⋅5⋅ und Alfred Loisy ⋅6⋅ sind in diesem Zusammenhang zu nennen. Letzterer - eigentlicher "Vater des Modernismus" ("Jesus Christus hat das Reich Gottes verkündet, und gekommen ist die Kirche") - wurde unter anderem wegen seiner radikalen Anwendung der bibelkritischen Methoden im Jahre 1908 gar aus der Kirche ausgeschlossen.

Solche Auseinandersetzungen führten dazu, dass die Pentateuchfrage und die wissenschaftliche Literarkritik für Rom häufig mit der Frage um den Modernismus verknüpft wurde.

e. Die Verlautbarungen des Lehramtes und die Bibelkommission

Zur "Förderung der Bibelwissenschaften und zur Entscheidung schwebender Fragen" wurde am 30. Oktober 1902 dann die päpstliche Bibelkommission durch Schreiben Leos XIII. gegründet. Franz von Hummelauer und vor allem Marie-Josef Lagrange wurden 1903 in diese Kommission berufen. Durch Verfügung von Pius X. am 18. November 1907 haben die Entscheidungen der Bibelkommission gleichen Wert wie die Entscheidungen römischer Kongregationen, sie müssen also als Norm kirchlicher Lehre gewertet werden. ⋅7⋅

Bereits am 27. Juni 1906 erließ die Bibelkommission eine Responsio über den mosaischen Ursprung des Pentateuchs. Darin wurde die begründete Annahme mehrerer Schreiber, dass es verschiedene mosaische Quellen und auch nach-mosaische Veränderungen gegeben habe, zugegeben, allerdings "salvo Ecclesiae iudicio" - vorbehaltlich des Urteils der Kirche. ⋅8⋅

Damit war zwar an sich ein gewisser Spielraum für weitere Forschungsarbeit gelassen, Versuche aber, die Quellen J, E, D, P zu übernehmen, wurden von der Bibelkommission nicht gebilligt; und das selbst dann nicht, wenn die entsprechenden Forscher diese Quellenschichten im wesentlichen in mosaische Zeit hinaufdatierten. Die Bibelkommission versuchte mit ihrer ganz eindeutig sachlich verfehlten Entscheidung, damals schlicht und ergreifend einer etwaigen modernistischen Entwicklung zu wehren.

Erst durch die berühmte Enzyklika "Divino afflante Spiritu" Pius XII. vom 30. September 1943 wurden katholische Exegeten wieder ermutigt, ungelöste Fragen erneut aufzugreifen.

Pius XII. schreibt:

"Dem katholischen Exegeten, der sich mit dem Verständnis und der Erklärung der Heiligen Schrift befaßt, haben schon die Kirchenväter, besonders Augustinus, das Studium der alten Sprachen und die Heranziehung des Urtextes ans Herz gelegt [..] Ist es doch Pflicht des Exegeten, auch das Kleinste, das unter Eingebung des Heiligen Geistes aus der Feder des heiligen Schriftstellers geflossen ist, mit größter Sorgfalt und Ehrfurcht aufzugreifen, um dessen Gedanken möglichst tief und vollständig zu erfassen. Daher soll er gewissenhaft daran arbeiten, sich eine immer größere Kenntnis der biblischen und auch der anderen orientalischen Sprachen anzueignen, und seine Schriftauslegung durch alle Hilfsmittel stützen, die die verschiedenen Zweige der Philologie bieten." ⋅9⋅

Gerade dieser letzte Satz mit dem Hinweis darauf, dass alle Hilfsmittel verwendet werden sollen, die die verschiedenen Zweige der Philologie bieten, war die Ermöglichung der modernen Bibelwissenschaft auch im katholischen Bereich.

Letzte Zweifel zerstreute der berühmte Brief des Sekretärs der Bibelkommission an Kardinal Suhard von Paris vom 16. Januar 1948. Hier wird die erwähnte Entscheidung der Bibelkommission über den Pentateuch von 1906 ganz klar revidiert. Es heißt:

"So gibt es auch heute niemanden mehr, der an der Existenz dieser Quellen zweifelt oder nicht zugibt, dass unter dem Einfluss der späteren sozialen und religiösen Verhältnisse das Mosaische Gesetzbuch fortschreitend Zusätze erfuhr, und zwar auch in den geschichtlichen Teilen." ⋅10⋅

Hier wird also ein allmähliches Wachstum der mosaischen Gesetze aufgrund der sozialen und religiösen Verhältnisse späterer Zeit zugegeben und selbst ein Fortschritt in den historischen Berichten eingeräumt. ⋅11⋅

Damit waren die Katholiken auch offiziell wieder auf die Bühne der kritischen Pentateuchforschung, wie auch überhaupt der modernen wissenschaftlichen Auseinandersetzung um die Bibel zurückgekehrt.

3. Die Kritik an Wellhausen von der Archäologie her

Wirklich ernstzunehmende Kritik erfuhr das Wellhausen'sche System in erster Linie von der Archäologie her.

Was Wellhausen noch nicht wissen konnte, das war, dass gerade die archäologische Forschung der nächsten Jahrzehnte einen Grundpfeiler seines Systems erschüttern sollte. Zu seiner Zeit steckte die Archäologie ja noch in den Anfängen.

Gesetzesstele

Oberteil der Gesetzesstele Hammurapis
(1728-1686 v. Chr.).

Foto-ButtonMusée du Louvre, Paris - Foto: Jörg Sieger

Bahnbrechende Erfolge auf dem Gebiet der Archälogie brachten nun aber immer neue Erkenntnisse.

So wurde im Jahre 1901 der berühmte altbabylonischen Codex Hammurapi gefunden. Dieser, sowie die Auffindung der Nuzi-Gesetze oder die in Boghazköy gefundenen hethitischen Verträgen mit den alten hethitischen Bundesformularen erwiesen es als falsch, wenn Wellhausen behauptete, dass die Gesetze des Pentateuchs ein ziemlich spätes Zeugnis der Erstarrung einer zuvor urwüchsigen, kraftvollen, prophetischen Jahwereligion gewesen seien.

Diese nun aufgefundenen alten Gesetzeswerke zwangen dazu, das religionsgeschichtliche Schema vom Werden Israels und seiner alten Traditionen nach Wellhausen noch einmal zu überprüfen.

Die Gesetze des Pentateuchs waren demnach keineswegs so jung wie Julius Wellhausen annahm.

Dass Wellhausen diese Funde noch nicht kannte, dafür kann er selbstverständlich nichts. Allerdings hätte er schon durch die 1850 erfolgte Entdeckung der Bibliothek Assurbanipals in Ninive oder durch das 1872 erschienene Opus des Archäologen und Orientalisten E. Schrader "Die Keilschriften und das Alte Testament" hellhörig werden müssen.

Dass dies nicht der Fall war, zeigt eigentlich nur, dass Julius Wellhausens Blick einseitig auf Israels Entwicklung gerichtet war, die sich nach dem Hegel'schen dialektischen Schema von These - Antithese - Synthese vollziehen sollte.

Diese Schwäche erkannte schon der katholische Exeget Marie-Josef Lagrange, den wir oben bereits erwähnten. Obwohl sich Lagrange zu den vier Pentateuchquellen einschließlich der Spätdatierung der Priesterschrift bekannte - dafür waren auch für ihn ausreichend Gründe gegeben -, lehnte er Wellhausens Urteil über die Gesetzestexte ab:

"Will man nun sagen, alles dies [d. h. die Sammlung der Gesetze im Pentateuch] sei mosaisch, wenn Mose die Thora nicht geschrieben hat? Es wäre hundertmal besser zu sagen, all dies sei 1000 oder 2000 Jahre älter als er. Moses aber hat all diese Gepflogenheiten, die teils allen Semiten gemeinsam, teils den semitischen Nomaden oder Halbnomaden eigentümlich sind, gekannt." ⋅12⋅

4. Kritik von Seiten der Religionsgeschichte

Auch Wellhausens Postulat, dass die Entwicklung der israelitischen Religion von einem primitiven Polytheismus und Geisterglauben über einen Henotheismus zum prophetischen Monotheismus führte, war Anlass heftiger Kritik. Hier setzten vor allem wichtige religionsgeschichtliche Arbeiten an, die Wellhausens These in diesem Punkt letztlich auch als falsch erwiesen.

Ab 1880 etwa setzte eine intensive religionsgeschichtliche Forschung bei "primitiven" Stämmen ein. Sie ergab letztlich, dass entgegen der Annahme Wellhausens

  • bei Naturvölkern ein Hochgottglaube vorherrscht und erst die kulturelle Entwicklung den Polytheismus brachte
  • und ebenso, dass bei Naturvölkern grundsätzlich der Eingottglaube vorherrscht.

Ein weiteres interessantes Ergebnis ist, dass die mündliche Überlieferung eines fixierten Textes über Jahrhunderte hinweg genauer sein kann als die schriftliche Überlieferung bei Kulturvölkern.

Auch diese Forschungstendenz Wellhausens wurde also als ein Vorurteil entlarvt. So waren mehrere Modifizierungen der neueren Urkunden-Hypothese auf der Grundlage von Karl Heinrich Graf und Julius Wellhausen erforderlich, die die Forschung in der Folge jahrzehntelang beschäftigten sollte.

Weiter-ButtonZurück-Button Anmerkungen

1 Vgl.: Lothar Ruppert, Einleitung in das Alte Testament (Teil I) - autorisierte Vorlesungsmitschrift (WS 1984/85) 68-76. Zur Anmerkung Button

2 Zu diesen Wissenschaftlern gehören die Juden Benno Jacob (1934) und U. Cassuto (1934; 1944-1951; The Documentary Hypothesis an the Composition of the Pentateuch (3. Auflage 1959)), beide mit guten philologischen Untersuchungen. Sie lehnen die Quellenscheidung eigentlich mehr aus religiösen Gründen als aus wirklich wissenschaftlichen Gründen ab.
B. Jacob sucht den Verfasser der Genesis unter den Zeitgenossen Davids und Salomos.
Eine Alternative suchte A. Klostermann (1893; 1907) vorzulegen, eine Art Kristallisationshypothese: ein altes, nicht in Quellen zerlegbares Grundwerk habe später absichtliche und unabsichtliche Erweiterungen und Umgestaltungen erfahren. Wie bei der Behandlung der Formgesichte des Hexateuch sichtbar werden wird, hat er teilweise etwas Richtiges geahnt. In neuerer Zeit hat E. Robertson (1950) eine ähnliche Kristallisationshypothese vertreten.
B. D. Erdmanns (1908/1912) und J. Dahse (1912) lehnen die Verschiedenheit des Gottesnamens als Scheidungskriterium ab und und vertreten eine Art Ergänzungshypothese.
M. Löhr (1924) erneuert in etwa die Geddessche Fragmentenhypothese: Esra habe teilweise auf Mose zurückgehendes Material zusammengestellt. Entfernt an Alexander Geddes erinnert auch die These I. Engells (1962) nach welcher die im jetzigen Tetrateuch vereinigten Erzählungen auf einen in Jerusalem arbeitenden priesterlichen Traditionskreis zurückzuführen seien, der teilweise auf schon schriftlich fixierte J-E-Überlieferung zurückgegriffen habe. Ein zweiter Traditionskreis, der deuteronomistische, hätte dann die vom Deuteronomium bis zum 2. Königsbuch reichende Geschichtserzählung mündlich überliefert. Diese beiden, die P- und D-Tradition, hätten dann erst zur Zeit des Esra und Nehemia ihre schriftliche Vollendung und Fixierung erhalten.
Der fundamentale Unterschied gegenüber dem Wellhausenschen System besteht eigentlich darin, dass die Quellenschriften zu mündlichen Traditionen werden.
Der schwerwiegenste Angriff richtet sich gegen die Annahme eines selbständigen elohistischen Erzählfadens: E. Paul Volz und Wilhelm Rudolph sahen hierin einen Irrweg der Pentateuchkritik (1933 bzw. 1938). Nur wenige E-Stücke seien von einem ängstlichen Bearbeiter stammende Ergänzungen zu J.
Zuletzt sah Sigmund Mowinckel in E lediglich einen "Jahvista Variatus" (1964). Zur Anmerkung Button

3 Franz von Hummelauer wurde am 14. August 1842 in Wien geboren. Seit 1860 war er Mitglied der Societas Jesu. Im Jahre 1873 wurde er Sachbearbeiter für biblische und altorientalische Fragen der Zeitschrift "Stimmen der Zeit". 1884 war er Mitgründer und Mitarbeiter des "Cursus Scripturae sacrae". Im Jahre 1903 wurde er Konsultor der Bibelkommission. Mit kritischem Blick und kühner Intuition suchte er fortschrittliche Lösungen grundlegender Bibelprobleme. In "Exegetisches zur Inspirationsfrage" aus dem Jahre 1904 wies er grundsätzlich richtige Wege, die die katholische Exegese erst später ausbaute. Angriffe dagegen führten 1908 zu seinem vorzeitigen Ausscheiden aus der exegetischen Forschung. Er starb am 14. August 1914 in s' Heerenberg (Niederlande).
(Vgl.: Josef Haspecker, Art.: Hummelauer, in: LTHK (1960) V/535.) Zur Anmerkung Button

4 Marie-Joseph Lagrange (Taufname Albert) wurde am 7. März 1855 in Bourg-en Bresse (Ain) geboren. Im Jahr 1879 trat er in den Dominikanerorden ein. Von 1884 bis 1888 war er Professor für Kirchengeschichte und Philosophie in Salamanca und Toulouse. Von 1888 bis 1890 studierte er orientalische Sprachen in Wien. Im Jahre 1890 gründete er die École Biblique, an der er bis 1914 und von 1918 bis 1935 wirkte. Die "Revue Biblique" gründete er im Jahre 1900. Im Jahre 1903 wurde er Konsultor der Bibelkommission. Nachdem er die theologischen Grundlagen einer katholischen kritischen Exegese gelegt hatte erforschte er zuerst das AT und seine religiöse Umwelt. Danach wandte er sich dem NT und seiner Umwelt zu. Er verfasste zahlreiche Abhandlungen über semitische, orientalische und hellenistische Religionsgeschichte. Die Palästinologie hat er durch die Gründung der École Biblique sowie durch Forschungsreischen (Sinai, Petra) gefördert. Seine größte Bedeutung liegt aber darin, dass er entscheidend zur Einführung einer kritischen wissenschaftlichen Methode in die katholische Exegese beigetragen hat. Stark umstritten zur Zeit des Modernismus, wurden seine kritischen Ansichten über die katholische Wissenschaft allmählich angenommen und über Lagrange hinaus weitergeführt. Marie-Joseph Lagrange starb am 10. März 1938 in St.-Maximim (Var).
(Vgl.: Pierre Benoit, Art.: Lagrange, in: LTHK (1961) VI/731.) Zur Anmerkung Button

5 Friedrich Freiherr von Hügel war nächst John Henry Newmann der bedeutendste katholische religiöse Schriftsteller und Laientheologe der neueren Zeit in englischer Sprache. Er wurde am 5. Mai 1852 in Florenz geboren und starb am 27. Januar 1925 in London. Durch Heirat mit einer Konvertitin, Lady Mary Herbert, trat er mit den katholisch-aristokratischen und geistlichen Kreisen Londons in Verbindung. Von Hügel war um die Entwicklung einer "incarnational philosophy" bemüht, die vor allem die Bedeutung der unmittelbaren Gotteserfahrung und der Beschäftigung mit dem Konkreten als eines Weges zu Gott zur Geltung brachte. Dabei verband er eine tiefinnerliche Frömmigkeit mit einer unerschütterlichen Kirchentreue. Sein Leben wurde jahrelang durch das Schicksal des Modernismus überschattet, zu dem er durch persönliche Freundschaft mit A. Loisy und G. Tyrell in Beziehung stand.
(Vgl.: Helmut Kuhn, Art.: Hügel, in: LThK (1960) V/507.) Zur Anmerkung Button

6 Alfred Loisy wurde am 18. Februar 1857 in Ambrières geboren und starb am 1. Juni 1940 in Ceffonds. Im Jahre 1879 wurde er Priester, lehrte seit 1889 Bibelwissenschaft am Institut catholique in Paris. Im Jahre 1893 wurde er amtsenthoben, weil er die absolute Irrtumslosigkeit der Bibel bestritt. Von 1909 bis 1926 lehrte er am Collège de France Religionsgeschichte, von 1924 bis 1927 an der École des Hautes Études. Loisy wird als "Vater des Modernismus" (Heiler) bezeichnet. Als im Jahre 1903 fünf seiner Bücher, darunter die modernistische Programmschrift "L'Évangelie et l'Église" aus dem Jahre 1902 indiziert wurden, unterwarf er sich dem Lehramt. Die radikale Anwendung der bibelkritischen Methode führte 1908 zu seiner Exkommunikation (vitandus). Danach lerhte er eine "Religion der Humanität". In seiner letzten Periode betonte er wieder die Transzendenz Gottes, starb jedoch unausgesöhnt mit der Kirche.
(Vgl.: Oskar. Schroeder, Art.: Loisy, in: LThK (1961) VI/1134.) Zur Anmerkung Button

7 Vgl.: Neuner-Roos, Einleitung zu 128. Zur Anmerkung Button

8 Vgl.: Ziegler, Einleitung, 120f. Zur Anmerkung Button

9 Vgl.: DS 3825, NR 132. Zur Anmerkung Button

10 Vgl.: DS 3863, NR 135. Zur Anmerkung Button

11 Vgl.: DS 3863, NR 135;
Hilfreich für den Verbindlichkeitsgrad heute überholt erscheinender Antworten der Bibelkommission sind die Ausführungen des damaligen Sekretärs der Bibelkommission, Pater Athanasius Miller OSB (Benediktinische Monatsschrift 31 (195) 49):
"Insofern in diesen Dekreten Ansichten vertreten werden, die weder mittelbar noch unmittelbar mit Wahrheiten des Glaubens und der Sitte zusammenhängen, kann der Forscher selbstverständlich in aller Freiheit seine Untersuchungen fortsetzen und seine Ergebnisse verwerten, allerdings immer mit Vorbehalt der kirchlichen Lehrautorität."
Wer wie Mariani in der 1958 zu Rom erschienenen "Introductio in Veteris Testamenti Libros" sich für seine restlos überholten Theorien auf die Responsio der Bibelkommission von 1906 beruft, ohne die späteren Verlautbarungen der Bibelkommission des kirchlichen Lehramtes wirklich ernst zu nehmen, der handelt - gegen allen Anschein - nicht im Sinne der Kirche (vgl. die Rezension Zieglers in BZ (NF 4/1960) 137-154).
(Vgl.: Lothar Ruppert, Einleitung in das Alte Testament (Teil I) - autorisierte Vorlesungsmitschrift (WS 1984/85) 75.) Zur Anmerkung Button

12 Lagrange, zitiert nach: Lothar Ruppert, Einleitung in das Alte Testament (Teil I) - autorisierte Vorlesungsmitschrift (WS 1984/85) 76. Zur Anmerkung Button