Weckruf - Wegruf

Mit dem Propheten Amos auf dem Weg


Ökumenischer Jahresgottesdienst der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Gemeinden - Bruchsal, 10. Oktober 2009, in der Lutherkirche

Sucht mich, dann werdet ihr leben!" (Am 5,4) - Prophetisches Handeln gestern und heute

  • Anspiel: Koralle
  • Gestaltung: Vorstand der ACG
    • Marieluise Gallinat-Schneider (römisch-katholische Kirche)
    • Ulrike Jourdan (Evangelisch methodistische Kirche)
    • Achim Schowalter (evangelische Landeskirche)
  • Musikalische Gestaltung Talita kum
  • Predigt: Marieluise Gallinat-Schneider

Ablauf:

Vorspiel (instrumental)

Begrüßung/Votum

Lied:

"Die Zeit ist da, sich umzusehn"

Anspiel (Koralle)

Bußakt

  • So viele Verführungen versuchen, in uns einzudringen. Guter Gott, gib Du uns die Richtung, die die richtige ist.
    Herr, erbarme Dich. - Liedruf: Kyrie eleison
  • Die Propheten haben versucht, den Menschen aufzuzeigen, welchen Weg Gott von uns erwartet. Aber die Menschen wollten dies nicht hören, die Propheten wurden verlacht oder zum Schweigen gezwungen. Auch heute fällt es uns schwer, auf die Stimmen zu hören, die uns zur Umkehr aufrufen.
    Christus erbarme Dich. - Liedruf: Christe eleison
  • Amos sagt uns, suchet mich, dann werdet ihr leben. Guter Gott, hilf uns, die Suche nach Dir als lebenslange Aufgaben anzusehen.
    Herr erbarme Dich.  - Liedruf: Kyrie eleison

meditative Musik

Gebet

Lesungen

Am 1,13-14: So spricht der Herr: Wegen der drei Verbrechen, die die Ammoniter begingen, wegen der vier nehme ich es nicht zurück: Weil sie in Gilead die schwangeren Frauen aufschlitzten, als sie ihr Gebiet erweitern wollten, darum lege ich Feuer an die Mauern von Rabba; es frißt seine Paläste beim Kriegsgeschrei am Tag der Schlacht, beim Getöse am Tag des Sturms.

Am 5,10-12: Bei Gericht hassen sie den, der zur Gerechtigkeit mahnt, und wer Wahres redet, den verabscheuen sie. Weil ihr von den Hilflosen Pachtgeld annehmt und ihr Getreide mit Steuern belegt, darum baut ihr Häuser aus behauenen Steinen - und wohnt nicht darin, legt ihr euch prächtige Weinberge an - und werdet den Wein nicht trinken. Denn ich kenne eure vielen Vergehen und eure zahlreichen Sünden. Ihr bringt den Unschuldigen in Not, ihr laßt euch bestechen und weist den Armen ab bei Gericht.

Am 5,21-26: Ich hasse eure Feste, ich verabscheue sie und kann eure Feiern nicht riechen. Wenn ihr mir Brandopfer darbringt, ich habe kein Gefallen an euren Gaben, und eure fetten Heilsopfer will ich nicht sehen. Weg mit dem Lärm deiner Lieder! Dein Harfenspiel will ich nicht hören, sondern das Recht ströme wie Wasser, die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach. Habt ihr mir etwa Schlachtopfer und Gaben dargebracht während der vierzig Jahre in der Wüste, ihr vom Haus Israel? Ihr werdet (den Gott) Sakkut als euren König vor euch hertragen müssen und den Kewan, euren Sterngott, eure Götter, die ihr euch selber gemacht habt.

Am 8,4-10: Hört dieses Wort, die ihr die Schwachen verfolgt und die Armen im Land unterdrückt. Ihr sagt: Wann ist das Neumondfest vorbei? Wir wollen Getreide verkaufen. Und wann ist der Sabbat vorbei? Wir wollen den Kornspeicher öffnen, das Maß kleiner und den Preis größer machen und die Gewichte fälschen. Wir wollen mit Geld die Hilflosen kaufen, für ein paar Sandalen die Armen. Sogar den Abfall des Getreides machen wir zu Geld. Beim Stolz Jakobs hat der Herr geschworen: Keine ihrer Taten werde ich jemals vergessen. Sollte deshalb die Erde nicht beben, sollten nicht alle ihre Bewohner voll Trauer sein? Sollte nicht die ganze Erde sich heben wie der Nil: [aufgewühlt sein] und sich wieder senken wie der Strom von Ägypten? An jenem Tag - Spruch Gottes, des Herrn - lasse ich am Mittag die Sonne untergehen und breite am hellichten Tag über die Erde Finsternis aus. Ich verwandle eure Feste in Trauer und all eure Lieder in Totenklage.

Predigttext (Am 5, 4-6): "Ja, so spricht der Herr zum Haus Israel: Sucht mich, dann werdet ihr leben. Doch sucht nicht Bet-El auf, geht nicht nach Gilgal, zieht nicht nach Beerscheba! Denn Gilgal droht die Verbannung und Bet-El der Untergang. Sucht den Herrn, dann werdet ihr leben."

Predigt

Liebe Schwestern und Brüder,

mein Arbeitstag beginnt mit dem Evangelium des Tages. In unserer modernen Zeit können wir uns den Text ja sogar auf den PC schicken lassen. So beginnt die Arbeit mit einem Bibeltext. Im August kamen mehrere Tage hintereinander neutestamentliche Texte, die mich in meinen Gedanken wieder zurück zu dem gerade abgeschlossenen Amosprojekt in unseren Gemeinden führten. So hieß es am 25. August mit Mt 23,23-26.

"Weh euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer, ihr Heuchler! Ihr gebt den Zehnten von Minze, Dill und Kümmel und laßt das Wichtigste im Gesetz außer acht: Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und Treue. Man muß das eine tun, ohne das andere zu lassen."

Wie bei den alttestamentlichen Propheten geht es auch in diesem Abschnitt des Evangeliums um die Anklage, dass das Wesentliche nicht getan wird. Der Zehnt von Kräutern wird gegeben, sogar von Heilkräutern, aber das Wichtigste fehlt: Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und Treue. Jesus stellt sich hier in die Tradition der alttestamentlichen Propheten, die auch immer wieder genau diese Gerechtigkeit forderten.

In der zitierten Bibelstelle heißt es weiter:

"...Ihr errichtet den Propheten Grabstätten und schmückt die Denkmäler der Gerechten und sagt dabei: Wenn wir in den Tagen unserer Väter gelebt hätten, wären wir nicht wie sie am Tod der Propheten schuldig geworden. Damit bestätigt ihr selbst, daß ihr die Söhne der Prophetenmörder seid.... Jerusalem, Jerusalem, du tötest die Propheten und steinigst die Boten, die zu dir gesandt sind. Wie oft wollte ich deine Kinder um mich sammeln, so wie eine Henne ihre Küken unter ihre Flügel nimmt; aber ihr habt nicht gewollt. Darum wird euer Haus (von Gott) verlassen."

Gott drückt hier seine Trauer darüber aus, dass die Propheten dem Volk immer wieder klar gemacht haben, worauf es eigentlich ankommt. Aber ihre Worte verhallten ungehört. Das Volk bricht trotz allem den Bund mit Gott, ein Vorwurf der das ganze erste Testament durchzieht. Jesus wird im Evangelium in eine Abstammungslinie mit den Propheten gestellt, er ist gewissermaßen deren Krönung. Gott sendet die Propheten und Jesus, um das Volk zur Umkehr zu Gerechtigkeit und zu einem gottgefälligen Leben anzuhalten. Das hebräische Wort sedaka/Gerechtigkeit ist eines der Schlüsselwörter des alten Testamentes, für viele alttestamentliche Theologen sogar das Schlüsselwort schlechthin.

Und bei Jesus können wir dies auch als zentrale Forderung finden. Ich denke nur an die Bergpredigt, in der wir die drei eingangs zitierten Begriffe Barmherzigkeit, Treue und Gerechtigkeit ebenso finden: Bei Mt 5 wird uns gesagt: "Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit; denn sie werden satt werden. Selig die Barmherzigen; denn sie werden Erbarmen finden. Selig, die ein reines Herz haben; denn sie werden Gott schauen." Gott hat die Propheten gesandt, um die Menschen zur Umkehr zu bewegen. Auch Jesus wurde gesandt, um genau dieses Ziel zu verfolgen. Daher ist es völlig unsinnig zu sagen, wir brauchen uns nicht mit alttestamentlichen Propheten zu befassen, weil wir Jesus haben, sondern es ist genau umgekehrt, wir verstehen Jesus und viele seiner Aussagen erst wirklich, wenn wir uns den Wurzeln nähern. So stellt die Bergpredigt eben auch nicht unerhört Neues in den Mittelpunkt, sondern sie steht in enger Tradition zu dem, was wir beim Propheten Amos schon an Forderungen finden. Deshalb schauen wir auch zurück, schauen vom Neuen Testament zurück zu den Propheten. Weil Jesus nicht ohne die Propheten zu verstehen ist, ist für uns heute die Beschäftigung mit den Prophetenbüchern so notwendig. Die Forderungen der Propheten haben für uns, weil auch Jesus sie immer wieder aufgreift, die gleiche aktuelle Bedeutung wie zu ihrer Zeit und zur Zeit von Jesus von Nazareth. Genau deswegen wird von uns heute Handeln im Sinne der Gerechtigkeit gefordert.

Der Prophet Amos, der um 750 v.Chr. im Nordreich wirkte, war der Prophet, der mit seinen radikalen Aussagen zum Umgang der Reichen mit den Armen und seinen Forderungen nach Gerechtigkeit Pate für die Frage nach sozialer Gerechtigkeit heute steht. Er war kein Berufsprophet, was ihm Unabhängigkeit von den Herrschenden sicherte. So konnte er seine Visionen in Samaria mitteilen.

Wenn wir uns die Missstände anschauen, die er beklagt, dann stellen wir entsetzt fest, dass vieles davon auch heute noch beklagenswert ist. Nach über 2000 Jahren sind diese Missstände nicht behoben. Amos Gerichtsrede am Anfang des Buches geht auf die Situation im Krieg ein. Landstriche wurden verwüstet, Städte und Dörfer zerstört, Menschen verschleppt, Frauen wurden geschändet. Diese Gräueltaten sind auch heute noch in jedem Krieg Realität. Frauen sind auch heute noch die Opfer unter der Zivilbevölkerung, die von Kriegen psychisch und physisch traumatisiert werden. Durch Naturkatastrophen wie Dürre, Heuschrecken und Erdbeben, durch Militär- und Frondienste und eine zu hohe Steuerlast waren viele Menschen völlig verarmt. Amos macht sich zum Anwalt der Enteigneten und Ausgeschlossenen, er klagt an: er klagt an den Verkauf in die Sklaverei wegen nichtiger Ursachen, er klagt gegen zu hohe Strafen, gegen Verfälschung von Maßen und Gewichten, gegen unehrliche Handelsgeschäfte und Korruption der Rechtsverfahren. All diese Anklagen durchzieht die Forderung nach sedaka, nach Gerechtigkeit.

Für mich jedoch ist die unerhörteste Aussage, somit auch die Schlüsselstelle Am 5,21-24. Dort lässt Jahwe durch Amos kundtun:

"Ich hasse eure Feste, ich verabscheue sie und kann eure Feiern nicht riechen. Wenn ihr mir Brandopfer darbringt, ich habe kein Gefallen an euren Gaben, und eure fetten Heilsopfer will ich nicht sehen. Weg mit dem Lärm deiner Lieder! Dein Harfenspiel will ich nicht hören, sondern das Recht ströme wie Wasser, die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach."

Amos führt aus, wie Jahwe seinen Abscheu gegen liturgische Feiern kundtut. Er will davon nichts sehen, riechen und hören. Mahlfeiern und Musik werden als genießerische Selbstbefriedigung abgetan. Die Teilnehmer meinten Gott mit solchen Opfern einen Dienst zu erweisen. Aber Gott will nicht der Empfänger von Leistungen sein. Sein Volk soll von ihm Recht und Gerechtigkeit empfangen. Er will der Aktive sein, der seinem Volk Hilfe zum Leben gibt. Daher kündet der Predigttext von heute auch davon, dass das Heiligtum in Bet-El dem Untergang geweiht ist.

"Ja, so spricht der Herr zum Haus Israel: Sucht mich, dann werdet ihr leben. Doch sucht nicht Bet-El auf, geht nicht nach Gilgal, zieht nicht nach Beerscheba! Denn Gilgal droht die Verbannung und Bet-El der Untergang."

Gott will nicht in diesem alten Reichsheiligtum des Nordreichs gesucht werden, dort ist er nicht zu finden, das ist eine sehr radikale Aussage des Amos, die sicher damals viele Menschen und vor allem die Priester am Tempel erzürnt hat. Gott will nicht, dass sie fromme Opfer feiern, die auf sinnentleerten Ritualen fußen, er will, dass Gottesdienst und Menschendienst zusammengehören. Es reicht nicht, Gott im Gottesdienst die Ehre zu erweisen, wenn man nicht gerecht zu seinen Mitmenschen ist und gerecht handelt. Dies sind die beiden Seiten einer Medaille.

Gerade hier heute Abend im ökumenischen Jahresgottesdienst der ACG stellen wir uns der Kultkritik des Amos. Als wir in unserem Amosprojekt den Abend über diesen Amostext "Ich hasse Eure Feste" hatten, feierten wir auch einen ökumenischen Gottesdienst. Im Anschluss wurde in meiner Gruppe im Gespräch die Frage nach der Trennung der Kirchen in den Mittelpunkt gestellt. Viele Gesprächsteilnehmer fragen sich: Warum feiern wir nicht gemeinsam die Mahlfeier, die Jesus beim letzten Abendmahl gestiftet hat? Die Trennung schmerzt. Für mich ist es kein Zufall, dass es ausgerechnet in dem bekannten ökumenischen Kirchenlied, in dem Jesus als Sonne der Gerechtigkeit bezeichnet wird, in der 3. Strophe heißt: "Schaue die Zertrennung an, der sonst niemand wehren kann"! Die Trennung der Kirchen ist sicher auch einer der Aspekte, die der göttlichen Gerechtigkeit widersprechen. Gerade hier in Deutschland erfahren viele konfessionsverschiedene Paare täglich die Auswirkungen dieser Trennung, wenn alles Religiöse immer aufs Neue ausgehandelt werden muss. Wenn Amos die Klimmzüge in der Ökumene sehen würde, würde er dies sicher anmahnen.

Der andere beklagenswerte Aspekt, den Amos mit seiner Kultkritik umfasst, ist die Frage nach dem Umgang der Christen mit ihren Mitmenschen. Dieser Frage müssen wir uns auch heute stellen. Wenn wir in den Gottesdienst gehen und Groll gegen die Mitfeiernden hegen, so stehen wir uns selber im Weg, dann ist keine gläubige Mitfeier möglich, dann wird der Gottesdienst für uns zu einem sinnleeren Ritual. Ohne die Gemeinschaft der Feiernden liebevoll im Blick zu haben, ist keine Feier des Glaubens möglich. Amos Kritik kann hier im engen Zusammenhang mit der Gerichtsrede bei Matthäus verstanden werden. In Matthäus 25,40 heißt es: "Was ihr für einen meiner geringsten Brüder und Schwestern getan habt, das habt ihr mir getan." Gott fordert beides von uns, Gottesdienst und Menschendienst.

Für mich, als jemand, der im Geiste des 2. Vatikanischen Konzils aufgewachsen ist, war und ist communio Gemeinschaft das allerwichtigste im Gottesdienst. Es geht um Gemeinschaft untereinander und um Gemeinschaft mit Gott. Der Mensch neben mir ist Abbild Gottes. Gott begegnet mir im Mitmenschen, daher stört der Mensch den Gottesdienst nicht, sondern genau das Gegenteil ist richtig, Sehr eindrücklich wurde dies in der Architektur der Bruchsaler Peterskirche verdeutlicht, die nun nach der Liturgiereform architektonisch verändert wurde, mit dem Altar in der Mitte, an dem sich die Menschen versammeln, so verstehe ich Mahlfeier. Wir stehen im Kreis, in dem sich die Gemeinschaft der Feiernden um Jesus, ihre Mitte, zentriert. Es beelendet mich, dass heute einige katholische Theologen wieder fordern, während der Eucharistie mit dem Rücken zum Volk zu zelebrieren.
Gottesdienst und Menschendienst, diesen beiden Bereichen müssen wir uns stets bei unseren Feiern widmen. Bei Hans Küng habe ich ein für mich sehr passendes Zitat gefunden in dem es heißt: "Eindrucksvoll vor allem der Propheten Einsatz für ein Grundethos. Die humanen Forderungen nach Gerechtigkeit, Wahrhaftigkeit, Treue, Frieden und Liebe werden als Forderungen Gottes vorgetragen. Kein Gottesdienst ohne Menschendienst! Diese Grundeinsicht verdankt man den Propheten. Ja, die gewaltigen Stimmen der Propheten hallen fort bis in die Gegenwart..."

Werfen wir einen Blick darauf, ob wirklich in der Gegenwart noch Stimmen von Propheten erschallen. Es gibt heute Menschen, die unbequeme Wahrheiten verkünden, Veränderungen anmahnen und uns auffordern, bequeme Pfade zu verlassen. Viele Umweltaktivisten, viele Menschen, die alles aufgeben, um sich den Ärmsten der Armen zu widmen, viele die als Spinner abgetan werden, haben prophetische Gaben. Manchmal werden sogar Menschen, von denen wir es nicht erwarten damit ausgestattet, wenn z.B. ein englischer Prinz zum Ökobauern wird, weil er erkennt, dass gerade sein Land zum Fastfoodimperium der Welt zu verkommen droht und genmanipulierte Lebensmittel ungeahnte Auswirkungen auf die Natur haben.

Wir stehen in einer Zeit, in der das Wort Krise eines der meistgenannten ist. Die Globalisierung hat dafür gesorgt, dass Fehlentscheidungen großer Banken und Konzerne die ganze Welt in ihren Sog gezogen haben und es eine Weltwirtschaftskrise ungeahnten Ausmaßes gibt. Wir wissen noch gar nicht, welches Erbe wir da unseren Kindern und Enkeln hinterlassen. Einige mit prophetischen Gaben ausgerüstete Menschen weisen darauf hin. Daher ist es gerade jetzt und hier angezeigt, unseren Blick auf die größten Verlierer dieser Krise zu richten, auf Arbeitslose, Kinder und Familien, auf die, die schon vorher am Rande der Gesellschaft standen und nun immer mehr abzurutschen drohen. Hier gilt es für uns als Christinnen und Christen die neugewählte Regierung an ihre Verantwortung für soziale Gerechtigkeit und soziale Marktwirtschaft zu erinnern. Wir sind es, die schauen müssen, dass die Kinder in unserem Land eine Chance auf lebenswerte Umstände, auf Bildung und Arbeit haben, dass es überhaupt eine lebenswerte Zukunft für uns Menschen gibt. Hoffen wir, dass Gott uns in dieser Zeit Prophetinnen und Propheten schickt, die uns dabei helfen - und hoffen wir, dass ihre Stimmen nicht unerhört verhallen sondern in unsere Herzen dringen.

Eine weitere Gruppe von Prophetinnen und Propheten sind für mich auch Schriftstellerinnen und Schriftsteller. Gerade in Diktaturen wie im Nationalsozialismus oder in der DDR gab es viele Gedichte, die Missstände anprangerten, in denen Lyrik prophetisch wirkte. Ich habe mich daher in den vergangenen Monaten auch viel mit Gedichten beschäftigt, die für mich prophetisches Handeln beinhalten. Ein zeitgenössisches Gedicht möchte ich uns heute Abend mitgeben. Tatjana Anders, geboren 1968 in Hildesheim schreibt gegen das Abgestumpftsein des Lebens, sie schreibt:

Bilder
von traurigen Kindern,
von gequälten Tieren,
von verlorener Hoffnung
finde ich zwischen meinen Büchern.
Irgendwann habe ich sie ausgeschnitten,
gesammelt,
geweint,
und sie hilflos zwischen die Seiten gelegt
damit ich es nie vergesse;
das Elend dieser Welt,
und doch
lege ich sie wieder zwischen meine Seiten,
schließe die Augen
und klappe das Buch zu.

Haben auch wir die Bilder des Elends, Bilder von Ungerechtigkeit zwischen die Seiten unserer Bücher und Alben gepresst, sie dort abgelegt, damit sie uns nicht aufrütteln, ablenken und zum Handeln auffordern?

Gottes Ruf nach sedaka, nach Gerechtigkeit lässt sich nicht in ausgeschnittenen Bildern zwischen Buchseiten ablegen, er ist präsent und lässt uns nicht ruhen. Von den Propheten des Alten Bundes an, über Jesus fordert er uns bis heute zum Handeln auf. Er fordert von uns Gottesdienst und Menschendienst, untrennbar verbunden und als steten Ruf an uns Christinnen und Christen. Im Predigttext heute wird uns jedoch verdeutlicht, woher wir den Antrieb für unseren Einsatz für Gerechtigkeit nehmen sollen. "Ja, so spricht der Herr zum Haus Israel: Sucht mich, dann werdet ihr leben.... Sucht den Herrn, dann werdet ihr leben." Wir haben die Zusage, wenn wir Gott suchen, dann haben wir Leben und wie wir Christen glauben, nicht nur diesseitiges Leben sondern auch ewiges Leben. In Am 5,17 sagt der Prophet: "Sucht das Gute, nicht das Böse; dann werdet ihr leben". Unsere Aufgabe ist es, das Gute zu suchen und zu tun, danach zu streben, ein guter Mensch zu sein, gut zu uns und gut zu anderen. Unser Einsatz für die Menschen entsteht durch die Liebe zu Gott und die Liebe zu den Menschen. Wenn wir Ungerechtigkeit in der Welt sehen und versuchen, sie zu beseitigen und die Lebensumstände zu verbessern, so tun wir dies nicht einfach als Philanthropen, aus reiner Menschenliebe oder aus rein politischen Beweggründen. Unser Antrieb ist unsere Suche nach Gott. Wir suchen Gott auch und gerade im Mitmenschen und versuchen, ein Leben in seiner Nachfolge zu leben. Ein Liedruf, den in einem Jahr unsere Kommunionkinder besonders geliebt und geschmettert haben, lautet: "Von Mensch zu Mensch eine Brücke baun, dem andern in die Augen schaun, in jedem Menschen Jesus sehn und nicht an ihm vorrübergehn." Wenn wir das beherzigen, wenn wir Gott in den Menschen suchen und sehen, dann setzen wir uns automatisch gegen Ungerechtigkeit ein.

Egal in welchen Bereichen wir uns anrufen und aufwecken lassen, ob es im Einsatz für die Ärmsten ist, im Bereich fairer Handel, im Umweltschutz, bei der Beseitigung der Folgen von Globalisierung, ob wir soziale Missstände anklagen oder uns für Frieden, gegen Gewalt engagieren oder Ausgestoßenen unsere Stimme leihen, Gott misst uns an unserem Tun, an unserem Einsatz für unsere Nächsten und wir sind genau dazu aufgefordert: Gerechtigkeit und Barmherzigkeit den Menschen gegenüber und Treue zu Gott und seinen Geboten, das sind unsere Aufgaben als Christinnen und Christen. In Ps 36 hören wir es noch einmal deutlich: "Herr, deine Güte reicht, so weit der Himmel ist, deine Treue, so weit die Wolken ziehn. Deine Gerechtigkeit steht wie die Berge Gottes, deine Urteile sind tief wie das Meer. Herr, du hilfst Menschen und Tieren." Gottes Gerechtigkeit ist unerschütterlich, wenn wir ihn suchen, wenn wir das Gute suchen und in den Mitmenschen Jesus suchen, dann haben wir von ihm die Verheißung, dann werden wir leben.

Amen.

(Marieluise Gallinat-Schneider)

Glaubensbekenntnis

Lied

"Eines schönen Tags"

Interviews

  • Inge Ganter zum Kindernetzwerk
  • Bruno Schilling für den Caritasverband (Beratungsladen)
  • Constanze Spranger vom Team des Weltladens

Fürbitten

dazu Liedruf: "Oh Lord hear my prayer"

Vertreterin der evangelischen Gemeinden: Herr unser Gott, wir danken Dir für die Möglichkeit diesen Gottesdienst hier gemeinsam feiern zu dürfen. Es tut gut sich in Deinem Namen zu versammeln. Es tut gut die Verbundenheit zwischen unseren verschiedenen Gemeinden zu spüren. Es tut gut wenn wir uns bewusst machen, dass Du der eine Herr bist der uns verbindet. Du siehst aber auch das was uns als Gemeinden trennt. Du kennst die vorgefassten Meinungen, du kennst alte Geschichten die Unfrieden stiften, du kennst unsere Unversöhntheit. Du leidest an dieser Trennung innerhalb Deiner Kirche und wir bitten Dich um Vergebung und um immer stärkere Verbindung miteinander. Herr höre unser Gebet

Vertreterin der katholischen Gemeinden: Herr unser Gott, wir lesen Dein Wort und die was wir dort hören erscheint so erschreckend aktuell zu sein. Vor so vielen hundert Jahren hat Dein Prophet Amos gesprochen und bis heute hat sich so wenig geändert. Wir klagen Dir diesen Zustand und wir bitten Dich öffne unsere Augen für das Unrecht das in unserer Welt geschieht. Gib Du uns Augen die das sehen können was Deine Augen sehen. Gib Du uns Stimmen die bereit sind sich zu erheben und Unrecht offen anzusprechen. Gib Du uns Hände und Füße die bereit sind sich zu bewegen und anzufassen um Missstände zu beseitigen. Gib Du uns Herzen die weich und mitfühlend sind, so wie Du sie Dir wünschst. Herr höre unser Gebet

Vertreterin der methodistischen Gemeinde: Herr unser Gott, Du siehst unsere schöne Stadt Bruchsal. Du siehst all die vielen Menschen die sich hier engagieren in so vielfältigen Projekten. Wir danken Dir, dass Du Menschen immer wieder zu solchem persönlichen Einsatz bereit machst und ihnen dazu auch die Fähigkeiten schenkst. Wir danken Dir auch für diejenigen die sich im Hintergrund halten und trotzdem diese Initiativen durch ihre Finanzen und auch durch ihre Gebete unterstützen. Herr wie schön wäre es aber wenn es gar nicht mehr nötig wäre für solche Aktivitäten zu werben. Wir träumen von einer Stadt in der kein Mensch Hunger leiden muss, wir träumen von genug Arbeit für alle die arbeiten wollen, wir träumen davon dass kein Kind sind alleine oder benachteiligt fühlen muss. Für uns sind das Träume, Du kannst sie Wirklichkeit werden lassen. Herr höre unser Gebet

Und höre uns auch wenn wir gemeinsam beten mit den Worten die Dein Sohn Jesus Christus uns gelehrt hat:

Vater unser im Himmel ...

Lied

"Hoffnung im Gegenwind"

mit Kollekte für Kinderhilfefonds (Ansage Barbara Gitzinger, Caritas der Gemeinde)

Danksagung

Einladung

Segen

Lied:

"Damit die Erde Heimat werde"

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